Der Begriff Herde wird in der Zoologie in Bezug auf Gruppierungen von Säugetieren, Fischen und Vögeln vielfältig verwendet, um die Struktur dieser Zusammenschlüsse zwecks vermehrtem Existenzerhalt zu beschreiben. Seit dem Erscheinen des Standardwerkes von Gustave Le Bon „Die Psychologie der Massen“ wird der Begriff der Herde, des Rudels, sowohl in der Soziologie als auch in der Psychologie als eine Triebfeder verstanden, die in Resten auch noch auf die Spezies Mensch zutrifft.
MEVES AKTUELL Januar 2019
Der Begriff Herde wird in der Zoologie in Bezug auf Gruppierungen von Säugetieren, Fischen und Vögeln vielfältig verwendet, um die Struktur dieser Zusammenschlüsse zwecks vermehrtem Existenzerhalt zu beschreiben. Seit dem Erscheinen des Standardwerkes von Gustave Le Bon „Die Psychologie der Massen“ wird der Begriff der Herde, des Rudels, sowohl in der Soziologie als auch in der Psychologie als eine Triebfeder verstanden, die in Resten auch noch auf die Spezies Mensch zutrifft. Der Begriff wird verwendet, um die Lenkbarkeit von Massen zu verdeutlichen. Das ist erkannt und allgemein anerkannt und soll in diesem kleinen Impuls nicht noch einmal ausführlich wiederholt werden, sondern es soll lediglich zwecks Bewusstseinserhellung auf dieser Grundlage aufgebaut werden.
Ich möchte stattdessen hier nur ein lustiges, kleines aktuelles Beispiel dafür bringen, dass die Realität einer Massenbeeinflussung dieser Art in vielen Einzelbereichen unserer Alltagsmentalität wirksam ist. Dafür habe ich ein Detail unserer Frauenmode als einen Beleg ausgewählt. Die Mode gehört ohnehin in unserer Zeit zu einer jener weltlichen Mächte, die unversehens als Götze an die Stelle einer Orientierung an den allmächtigen Gott geraten ist. Z. B. ist seit mehr als 40 Jahren die Hose für Frauen ein voll anerkanntes Bekleidungsstück mit der Ausgestaltung einer außerordentlich variablen Vielfalt, gekrönt von den weltweit zu tragenden Blue Jeans. Ob der Mensch kurz oder lang, ob dick oder dünn, ob alt oder jung ist – wer Anerkennung in der Gruppe erwartet, hat sich mit diesem jakobinerhaft hässlichen Kleidungsstück anzufreunden.
Heute haben die Jeans ihre Kronenstellung in der Frauenmode allerdings hinter sich. Seit kurzer Zeit erscheint nämlich stattdessen neu der Rock als das einst allgemein übliche Bekleidungsstück für Frauen - der Mottenkiste enthoben - als einfarbiges Kleid in der Szenerie und ist bereits zur ungeschriebenen Massenvorschrift avanciert. Ohne Rücksicht auf die körperlichen Unterschiedlichkeiten und der zunehmenden Schwierigkeit auch von Frauen, dem Zwang zu jugendlicher Schlankheit lebenslänglich nachzukommen, fühlen sich die Frauen genötigt, sich in aller Unbewusstheit nun nach diesem ungeschriebenen Bekleidungsdiktat auszurichten, wenn Sie sich als topfit empfinden wollen. Neuerdings muss ein voller Busen unter einem stramm sitzenden Stoff erahnbar sein. Dieses Oberteil hat in eine Wespentaille einzumünden, was immer seltener ohne künstliche ärztliche Saugaktionen zu schaffen ist. Voller Busen, dadurch in machtvoller Präsentation verstärkt, erweist sich als Unabdingbarkeit einer modischen weiblichen Identität, um sich gesellschaftlicher Anerkennung hinreichend gewiss zu fühlen.
Damit nicht genug: Ein enger, kurzer Saum hat jetzt zwar unter knappem Stoff weiter anziehende Körperteile, die Oberschenkel, erahnbar zu machen, indem er das Knie nicht bedeckt. Das führt natürlich dazu, dass in Sitzhaltung eine Verschiebung nach oben entsteht, die die Damen beim Sitzen zu streng zusammengehaltenen Oberschenkeln nötigt, was sich in den Talkshows einhellig erleben lässt.
Am erstaunlichsten erscheint es mir nun aber, dass die ungeschriebene Verpflichtung, unbedingt mit der Mode zu gehen, noch in einem längst schon installierten Massenmerkmal selbst bei dieser neuen Bekleidungsform, der Rückkehr zum Kleid, anscheinend völlig unbewusst weiter verpflichtend bleibt: dem weit geöffneten Halsausschnitt. Dieser pflegt zwar eine erhebliche Quantität der Anwendung, aber eine wenig variable Form zu haben. Er trägt grundsätzlich die Form eines auf dem Kopf stehenden spitzen Dreiecks, das in der sichtbar werdenden Busenwölbung endet. Der auf diese Weise befreite nackte Hals hat mit ähnlicher Unabdingbarkeit präsentiert zu werden wie die entblößten Beine. Hier herrscht bereits schon seit einigen Jahrzehnten eine merkwürdige Einheitlichkeit.
Die Designer dieses Modeartikels hatten vermutlich ein sicheres Gespür für seine beste Verkaufbarkeit. Diese hat grundsätzlich der Stimmung der Bevölkerung in der jeweiligen Phase des Zeitgeistes zu entsprechen, sonst kommt der Artikel nicht an. Die Erfinder dieses kultiviert und schön erscheinenden Modestücks haben lediglich ein Gespür dafür, dass die Zeit der schamlos exhibierten sexuellen Lockungs-Methode vorüber ist. Sie brauchen auch kein biologisches Wissen über die sexuellen Auslöser, sondern eher die Erfahrung, dass zart Verhülltes diese Naturgewalt oft sogar erfolgreicher aktiviert als verderbt schamlose Präsentation... Und zu bedenken ist heute schließlich darüber hinaus, dass feministischer Fortschritt darin besteht, nun, per Recht, Männer als Sexisten zu verklagen, die auf das Verhüllte einen Blick (oder gar mehr?) riskieren ...
Welche Wirrnis mit verschleierten Absichten wird unserer Gesellschaft in der Zukunft voller Unbewusstheit bevorstehen? Etwa so: Die Einheitlichkeit im Halsausschnitt ist zwar z. Zt. ungeschriebenes Gesetz bisher nur bei Frauen, ist aber in zunehmendem Maße durch Verschwinden des Schlipses und der Verschlossenheit des Kragens dahinter sogar bei fortschrittlichen Männern im Kommen. Wird Rilkische Befreiungssehnsucht gegen die damalige, in rigiden Normen erstarrte Gesellschaft - „Einmal wieder den Kragen offen tragen“ - heute zu einem unterschwelligen Ausdruck männlicher Unterwerfung unter das Diktat feministischer Machtvollendung?
Mode ist nun einmal grundsätzlich ein unbewusster Ausdruck der Massendenkungsart in der zeitbedingten Bevölkerung und zeigt sich infolgedessen auch in einer obligatorisch zu tragenden Bekleidung. Deshalb lässt diese Form der Rückkehr zum Kleid viel Interessantes, Neues über den Weltgeist 2019 vermuten, vielleicht sogar etwas Positives, ja, sogar eine Rückkehr zu mehr Kultiviertheit erwarten? Vor allem aber lässt sich allein schon bei Kleinigkeiten unseres Alltags erkennen, in welchem hohen Ausmaß wir unbewusst suggestibel der Vereinheitlichung durch Massentrends unterliegen. Wie stark und mächtig erweist sich also selbst in den hochzivilisierten Gesellschaften unsere Herdennatur! Wie kommt hier überall unser Überlebensbedürfnis als die Machtstruktur der Naturkräfte in uns zum Ausdruck!
Es ist das allgegenwärtige Bedürfnis nach Schutz in der Gruppe, das uns heimlich durchschlagend motiviert! Wir können keineswegs von einer „Instinktreduktion“ bei der Spezies Mensch sprechen, wie Arnold Gehlen das vor 70 Jahren kühn behauptete! Schon bei der Anpassung zum vereinheitlichten Halsausschnitt lässt sich entdecken, dass diese Annahme nicht stimmt!
Ich habe Ihnen unsere Anfälligkeit, einfach unnachdenklich im Strom mitzuschwimmen, einmal verdeutlichen wollen - damit wir uns bereits an diesem so ungewichtigen Teil der Mode, z. B. dem offenen, spitz endenden Halsausschnitt, unserer so allgemein großen Beeinflussbarkeit bewusst werden; denn dann kann uns unsere ebenfalls mögliche, massenhafte Verführbarkeit als Gefahr ins Blickfeld kommen und uns zu nachdenklichem Widerstand dagegen anregen. Was von dieser vereinheitlichenden Mode passt eigentlich zu mir selbst – als einem Unikat unter den Milliarden Wolfs-Rudeln und Schafherden? Unsere persönliche Eigenart zu entfalten – das sollte unser Weg und unser Ziel zu ausgereiftem Menschsein werden, meine ich. Im Grunde ist diese Erkenntnis uralt. Wir finden die Auseinandersetzung mit unserer Schafherde- Natur z. B. ausführlich bei Jesus Christus im Johannesevangelium:
„Ich bin die Tür der Schafe... Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie (meine Schafe, d. Verf.) Leben haben … Ich bin der gute Hirte“ (Joh 10, 7-11).